Birgit Huebner

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farbfotoorte

Seltsames Geschehen in Farbe

Asphaltgraue Bänder, neun Straßen in Richtung Stadt.
Alltäglich grauer Belag in Richtung einer farbigen Adresse.
Farben, Streifen an den Wänden, verkleinerte Orte, die auf Eisenständern Flügel kriegen:
irgendwo ZWISCHEN Düsseldorf, Ägypten, New York und Paris.
Das ist so an einem feinen, kalten, weißen (schneeweißen, winterlichen) Samstagabend;
von draußen hinein, wo sich im Innern der Scheiben eines kleinen Raumes Kondenswasser bildet und
DAHINTER, bei Eintritt: die FARBEN Wirklichkeiten Orte machen.
FARBEN, wie SIE sie nicht kennen.
gelblich
grau
türkis
rötlich
beige
grünlich
rosa
bläulich sind die Streifen, die demokratisch nebeneinander die Fläche dreier Wände bemühen - erst - und dann BESETZEN. Doch damit hat alle Demokratie ein Ende.
Den wandhohen Farbenstreifen zugeordnet regieren die geflügelten Boten, einfüßig, kleinen Büchern gleich, die farbige WIRKLICHE Welt.
(Bevor Sie DAS sahen, wußten SIE nicht, WIE farbig die wirkliche Welt sein kann!)
Wer in diesen Büchern nachschlägt (oder besser: -schläft, denn nur die Träume lassen Wirklichkeit erst wirklich werden, geben jene Ruhe zur Erinnerung, die der alltäglich GRAUE wache Geist vermissen läßt…), weiß erst, was es mit der Farbe an der WAND auf sich, in sich hat, wodurch er sie erblicken kann.
Der Blick an die Wand und dann -
die plakative Vorgabe, die von den Wänden trotzt, wird in der winzigen Welt der fotografischen Bücher gebündelt, gesammelt und streng hierarchisch ausgespuckt:
Vor braun hat nur bräunlich Bedeutung,
vor gelb gilt gelblich,
vor grau graviert grau die gewisse Frequenz,
vor türkis türmt türkis das Tragen der einzelnen Punkte, (was seinen Ursprung hat in einem trotzigen Streit zwischen blau und grün und manchmal einem Stich ins Gelbe),
rötlich reitet das Gedenken an Erdbeeren, Kirschen und venezianische Samtportieren zu Tode und in ein NEUES Leben hinein,
wonach beige als schwer leidliche Farbe jeden Trotz zunächst zur Ruhe bringt um
grünlich dann in Gras oder Bäumen oder künstlichen Chiffren von Natürlichkeit seine Existenz (und das Gewissen des Betrachters) zu begründen,
doch dann rafft rosa den Rest der rötlichen Farbe im Raum (und in der Welt) zusammen;
schließlich gibt bläulich im großen und ganzen einem Himmel nach, den es zu dieser Zeit nicht gibt (und den wir in der Erinnerung begehren),
denn draußen, in diesem Winter, ist es Nacht und schwarz, und von draußen ist nur hinter verschwitzten Scheiben, jene Ahnung zu erträumen, die einereine haben möchte, wenn es Winter ist - und sonst, von der FARBIGEN WELT.

Barbara Bongartz

aus: „1994-1999 memory. birgit huebner“

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